„Ich bin ein Mensch“

Das hätte ich gesagt, wenn ich als deutscher Außenminister zu Kriegen Stellung nehme. /1/ Tod und Elend ebenso wie das Leben und das Glück sind so groß, dass sie unattribuiert beschrieben werden sollten, also ohne sie sofort bzw. ohne Unterlass Nationen zuzuordnen.

Die tiefste Wurzel aller Konflikte, Kriege und Schändungen ist die Aufteilung der Welt in „die da“ und „wir da“. /2/ Auf die Spitze getrieben wird das, wenn Menschen als Tiere bezeichnet werden. Einige in der Geschichte haben das getan. Die Nazis hatten die Juden systematisch als Nicht-Menschen, als Ungeziefer abgetan, das ausgerottet werden müsste. 

Jetzt, ganz aktuell bezeichnen israelische Politiker, der Verteidigungsminister und der Ministerpräsident, die palästinensischen Terroristen, Angreifer und Attentäter als „Tiere“ bzw. „Raubtiere“, die gnadenlos vernichtet werden müssten. Ich habe keinen westdemokratischen, schon gar keinen deutschen Politiker gehört, der sich gegen diese Entmenschlichung von kriminellen Tätern, die doch Menschen bleiben, gewandt hätte.

Ja, wird gesagt, die HAMAS hätte angefangen und jetzt kriege sie nur zurück, was sie verdient hätte. Wenn man wissen will, wer in Konflikten „angefangen“ hat, dann darf man nicht nur die jüngste Vergangenheit betrachten. Fakt ist, dass Israel nach wie vor völkerrechtswidrig arabische Gebiete besetzt hält und mehrere UN-Resolutionen, sie wieder zu räumen, ignoriert. 

Dieses Argumentationsmuster ist alt. Als russische Soldaten kurz nach dem 2. Weltkrieg in dem Teil des besiegten Deutschlands, den sie besetzt hatten, wie die Vandalen hausten, das niederbrannten, was übrig geblieben war, deutsche Frauen zu Hunderttausenden vergewaltigten, wurde mir gesagt, dass man das verstehen müsse, schließlich hätte jeder der „guten Rotarmisten“ in seiner Familie Menschen, die von Deutschen ermordet und/oder geschändet wurden. Außerdem: Wir hätten ja angefangen.

Nun, da der „Westen“ und Russland keine Verbündeten mehr sind, wird vielleicht erhärtet werden, was einzelne Historiker jetzt schon sagen: Hitler war einem russischen Angriff „nur“ zuvorgekommen. Dass es russische Politiker gibt, die ein außenpolitisches Problem lösen wollen, indem sie ein Nachbarland überfallen, sollte uns aus der jüngeren Vergangenheit bekannt vorkommen. Und ich glaube auch nicht, dass Stalin mehr Skrupel hatte, Menschenleben auszulöschen, als Hitler.  

Das Gleiche bei der Gewalt, die Tschechen 1945 bei der Vertreibung der Deutschen aus Böhmen und Mähren, wo sie jahrhundertelang lebten, ausübten. Die Deutschen mussten in den Monaten, wo sie noch in der Tschechoslowakei waren, analog zum Judenstern eine weiße Armbinde tragen; sie durften zum Beispiel nicht den Bürgersteig benutzen. Sie waren vogelfrei. Tausende wurden in der Lustwut des Siegesrausches von tschechischen Nationalisten umgebracht.

Mord verjährt nicht. Die deutsche Bundesregierung hat inzwischen aber keinerlei Interesse mehr, die Täter wenigstens jetzt vor Gericht zu bringen, nicht einmal die, die direkt mordeten. Lieber wird die letzte deutsche Sekretärin aufgespürt und vor Gericht gestellt, die indirekt an den Naziverbrechen beteiligt war.       

Der ehemalige Generalsekretär der SPD Peter Glotz, selbst ein Sudetendeutscher, zeigt in seinem Buch „Vertreibung“ ohne jeden Schaum vorm Mund, dass über die Jahrhunderte die Tschechen in Böhmen und Mähren, die überwiegend in den Dörfern lebten, Minderwertigkeitsgefühle gegenüber den Deutschen entwickelten, die die Städte in der KuK-Monarchie zum Erblühen brachten. Jetzt konnten sie sich rächen. 

Nicht die Deutschen hatten angefangen, weil sie zum großen Teil die Nazipartei wählten und jetzt kriegten sie nur zurück, was sie verdienten. Nein! Das Schlamassel begann 1918, als Böhmen und Mähren von den Siegermächten, den USA, Großbritannien und Frankreich, einfach der neugegründeten Tschechoslowakei zugeschlagen wurden, ohne den Willen der dortigen Bevölkerung zu beachten, die zum absolut überwiegenden Teil zum Deutschen Reich bzw. zu Österreich gehören wollten. Das durfte nicht sein. Deutschland, das am Ausbruch des 1. Weltkrieges nicht mehr schuld war als die anderen Großmächte, und das kulturell deutsche Österreich mussten unbedingt kleingehalten werden.   

So viel zum „Die haben aber angefangen, und sie kriegen nur zurück, was sie verdient haben“, was sich auch jetzt wieder als Argumentationsmuster bei der Bewertung israelischer Kriegsverbrechen zeigt.  

Israel macht es wie der Warschauer Pakt, selig. Der hatte erklärt, dass jeder Feind auf seinem eigenen Territorium vernichtet werden würde, wenn er es wagen sollte, ihn anzugreifen. Deswegen, aus solchen selbstbezogenen Ansprüchen bezüglich der eigenen Sicherheit heraus, hatten sowohl die Sowjetunion als auch die USA Afghanistan besetzt. Wie jämmerlich diese Arroganz gescheitert ist, wissen wir. Auch das diesbezügliche israelische Anspruchsdenken wird sich mit den völkerrechtlichen Realitäten arrangieren müssen. 

Das sollte auch Annalena Baerbock wissen. Sie kommt ja schließlich aus dem Völkerrecht. Wenn ihr Bilder gezeigt werden, wie palästinensische Kinder durch die Bomben der israelischen Armee sterben, inzwischen von der Zahl viel mehr als israelische, wird sie dann auch fast weinen müssen? Oder ist es bei diesen Kindern was Anderes, weil sie ja nur Palästinenser sind und keine Israeli?

Ich wundere mich, wie es möglich ist, so viel ahnungslose Einfalt, gemischt mit pausbäckiger Dreistigkeit, in einen Menschen zu pressen, wie das bei Annalena gelungen ist. Das Dumme, das wirklich Dumme ist nur, dass sie unsere Außenministerin ist.

 

Fußnoten

/1/ Frau Baerbock sagte: „Ich bin eine Israelin“. Obwohl sie deutsche Außenministerin und Vertreterin der in Europa am meisten verbreiteten Sprache, nämlich Deutsch, ist, formulierte sie das, wie es bei den Tonangebenden in Deutschland üblich geworden ist, natürlich auf Englisch. Wenn sie ihre Verbundenheit mit den Israeli ausdrücken wollte, hätte sie sich die Mühe machen müssen, dieses Bekenntnis auf Hebräisch zu sagen.

/2/ Elke Heidenreich beschreibt das Gemeinte in Bezug auf die Genderei analog. Sinngemäß lautet ihr Einwurf: Ich will einfach Mensch sein, keine Unterart von Mensch, wenn es keine Rolle spielt, ob ich weiblich oder männlich, jung oder alt, deutsch oder anderer Nationalität bin.  

3 Kommentare zu “„Ich bin ein Mensch“”

  1. D. sagt:

    Die palästinensischen Kämpfer haben bei ihren jüngsten Angriffen eine Vielzahl Säuglinge ermordet und nicht wenige enthauptet. Natürlich sterben bei einem Angriff israelischer Hubschrauber möglicherweise ebenfalls Säuglinge, aber es ist ein Unterschied, ob ein Mensch persönlich, ohne Abstand in „vollem Vorsatz“ einen Säugling abschlachtet oder ein anderer aus 2 km Entfernung eine Rakete abfeuert, die ein Haus einstürzen lässt, was dazu führt, dass ein Armierungsstahl dem schlafenden Säugling aus dem 2ten Stock den Kopf abreißt.

    Annalena Baerbock im Übrigen sollte aus Scham weinen, weil ihre Partei und Menschen ihres Schlages seit Jahrzehnten Millionen in ein System pumpen, von dem sie wissen müssen, dass sich daraus Terroristen übelster Sorte bedienen.

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